31. Januar 2018

Elmar Faber (1934 - 2017)



Zu seinem 80. Geburtstag schrieb ich ihm, daß er mein einzig wirklicher Verleger gewesen ist. Gut eine Dekade durfte ich mich zu den Aufbau-Autoren rechnen. Erst sieben Jahre die Wartebank des Verlages gedrückt, nach dem Debüt bis 1994 die Verlagsprogramme geschmückt. Als die Verträge aufgelöst wurden, war Elmar Faber längst nicht mehr am und an Aufbau beteiligt. Er und ich hatten um etliche meiner Verse gestritten. Er mißbilligte meine Beteiligung an einer im „Westen“ erscheinenden Anthologie. Er hatte das Manuskript meiner Armee-Erinnerungen („Nackt hinter der Schutzmaske“) drei Jahre schmoren lassen, bis es bei seiner Veröffentlichung 1990 zu spät kam. Trotzdem denke ich, wenn ich an ihn denke, daß er mein einzig wirklicher Verleger gewesen ist.
J.R.B.Th. nachgerufen 1949 - 2017
Das erste Mal trafen wir aufeinander im Klubhaus des Kombinats VEB Pentacon, Schandauer Straße, heute „Medienkulturzentrum“. Das muß 1971 gewesen sein. Beide gehörten wir dem dort monatlich tagenden „Zirkel Schreibender Arbeiter“ an. Was das für ein „Klub“ war, wie wir in ihn hinein gerieten, sei dahin gestellt. Man traf sich, um selbst verfaßte Texte vorzulesen und darüber zu reden. Jedenfalls war Bernhard Theilmann der Einzige vom Typ „Arbeiter“. Nicht im Sinne von „Greif zur Feder, Kumpel!“, vielmehr von der Sorte „Alle Räder stehen still, wenn mein starker Arm es will“. Genauso diskutierte er. Kraftvoll, bedingungslos, ohne Rücksicht auf Verluste. Bei unserer ersten Begegnung stellte er „Unter den Rädern“ zur Diskussion, steht in meiner Kladde, was wohl ein Gedicht gewesen sein wird, heute verschollen, wie so vieles, weil er es verworfen, weggeworfen hat. Als es Ende 1974 hieß, das „literarische Volksschaffen“ (O-Ton DDR-Kulturpolitik) müsse weiterentwickelt werden, wurden auch wir entwickelt, stiegen auf, wurden in eine „Fördergruppe Schreibender Arbeiter“ delegiert. Auf der Gruppen-Liste fanden sich Namen wie Manfred Streubel und Thomas Rosenlöcher, auch Herbert Schirmer, der 1990 letzter DDR-Kulturminister werden sollte. Uns beschlich vorsichtiger Stolz. Wohin aber sollten wir befördert werden? Auf die Höhen des Parnass? Oder in die Bredouille? Letzteres kam prompt. Als wir 1976 nachdrücklich und unüberhörbar gegen Biermanns DDR-Ausbürgerung stimmten, wurden wir hinauskomplimentiert. „Wir bitten Sie, dafür Verständnis zu haben, daß wir auf eine weitere Mitarbeit Ihrerseits verzichten müssen.“ Unser Verständnis hielt sich in Grenzen. Fast packte uns darob unvorsichtiger Stolz. Nach dem Rausschmiß betrieben wir unseren eigenen Zirkel in der Theilmann-“Kneipe“ am Wolf-Platz. Nur er und ich. Nicht immer ging es um unsere Texte, aber meistens ging es hoch her. J.R.B.Th. kritisierte maßlos. Klare Ansagen, was mit Ach und Krach ging, was nicht ging und was gar nicht ging. In dieser Reihenfolge. Ich war vorsichtiger, denn was ich gut fand, schmiß er weg. Woran ich wagte, herumzunörgeln, hob er auf, weil er es plötzlich interessant fand. Fast wünschte ich mir heute, eine kleine Wanze hätte mit uns auf der den Kneipentisch dreiseitig umlaufenden Bank gesessen. Dann wären ein paar seiner Texte akustisch bewahrt geblieben, vorgetragen mit dem ihm eigenen Idiom. Auch einige unserer hochfliegend tiefschürfenden Pläne. Als wir noch gut bei Humor waren, konnten wir regelmäßig über Nachrufe auf bekannte Künstler oder Politiker lästern. Die Gesetzmäßigkeit schien darin zu bestehen, je übersteigerter ins Übermenschliche nachgerufen wurde, umso schlechter waren Kunst oder Politik des „teuren Toten“. Damals schworen wir, für unser Ableben vorzusorgen, uns Nachrufe in verschiedenen Varianten selbst zu schreiben und die Texte dem jeweils anderen zu überlassen, damit dieser sie aus der Schublade ziehen könnte, wenn es soweit wäre. Wir sind meineidig geworden, haben uns nicht an den Schwur gehalten. Ich hätte J.R.B.Th. rechtzeitig daran erinnern sollen.
(veröffentlicht in: SAX 10/2017)

Silvester 1982/83 - Lesung aus Jandls "Humanisten" (Foto: B. Lorenz)